Netcarbs und Polyole

Seit es Low Carb „gibt“, liest man auf vielen speziellen kohlenhydratarmen Produkten oftmals den Begriff NetCarbs oder auch Netto-Kohlenhydrate.

Die Werte, die dahinter stehen, hören sich für jemanden, der sich kohlenhydratarm ernähren möchte, meist sehr erfreulich an, denn durch die NetCarbs eröffnen sich ganz neue kulinarische Möglichkeiten 😉
Süßigkeiten zum Beispiel, Schokoladen oder Energieriegel sollen nun ganz wenig NetCarbs haben und wären somit „erlaubt“.
Aber was hat es überhaupt auf sich mit diesen dubiosen NetCarbs oder auch Netto-Kohlenhydraten?

Wir haben versucht, uns unwissenschaftlich und für jeden verständlich an das schwammige Thema NetCarbs zu begeben, über das sich zahlreiche zum Teil hochstudierte Geister streiten.

Wer Fehler findet, möge sie uns melden! Auch Ergänzungen sind ausdrücklich erwünscht. Nun denn..

In vielen Produkten, bei denen NetCarbs erwähnt werden, finden Zuckeraustauschstoffe (Polyole = Zuckeralkohole, wie Maltit, Sorbit usw.) Verwendung. Diese Zuckeraustauschstoffe sollen laut zahlreichen Studien einen geringeren Einfluss auf den Insulinhaushalt haben als Zucker, da sie schwer verdaulich bzw. nicht verdaulich sind und somit vom Körper nur teilweise oder nicht aufgenommen werden können.
Hieraus lässt sich folgern, dass diese auch ohne nennenswerte Insulinausschüttung im Körper verstoffwechselt werden dürften.

Diese Produkte – z.B. Low Carb Schokolade – sollen hierdurch einen niedrigeren glykämischen Index (Einfluss auf den Blutzuckerhaushalt) haben als normale Schokolade.
Je weniger –anrechenbare- Kohlenhydrate (NetCarbs) ein Produkt hat, desto geringer sollen die Blutzuckerschwankungen sein, die bekanntlich Insulinausschüttung, Fetteinlagerung  und Heißhungerattacken auslösen.
Üblicherweise haben diese Produkte aufgrund des nicht verwendeten Zuckers auch weniger Kalorien als die „normalen“ Produkte.

Die Berechnung der NetCarbs ist eine kleine Wissenschaft für sich und setzt auch voraus, dass man die genauen Nährwerte des Produktes und auch den verwendeten Zuckeraustauschstoff kennt.

Die verschiedenen Zuckeralkohole (Polyole) haben unterschiedliche Werte, was den „Durchschlag“ in Bezug auf den anzurechnenden Kohlenhydratwert angeht. Die Anrechnung erfolgt nach einer Formel proportional zum Kaloriengehalt.
Verständlich erklärte Details zu den einzelnen Polyolen kann man hier finden: www.qualimedic.de/zuckeraustauschstoffe.html.

Der Vollständigkeit halber möchten wir Euch die von den Herstellern im Allgemeinen genutzten Berechnungsformel für den Rest der verbleibenden, verwertbaren und somit anzurechnenden Kohlenhydrate – die Net-Carbs – nicht vorenthalten:

Kohlenhydratgehalt gesamt
abzüglich Zuckeralkohole / Zuckerausstauschstoffe (z.B. Maltit)
abzüglich Polydextrose
abzüglich (resistenter) Stärke
= NetCarbs

Diese Formel geht davon aus, dass die Zuckeraustauschstoffe überhaupt nicht als verwertbare Kohlenhydrate anzurechnen sind.

Im Zusammenhang mit Low Carb Ernährung scheiden sich hinsichtlich der Anrechenbarkeit der NetCarbs bzw. Gesamt-Kohlenhydrate bei Verwendung von Zuckerersatzstoffen die Geister.
Atkins selbst – quasi der „Erfinder“ der Low Carb Ernährung – ging in seiner frühen Zeit davon aus, dass die Zuckerersatzstoffe den Kohlenhydratgehalt des Produktes nicht reduzieren. Später, nachdem in den USA die Zuckerersatzstoffe ihren Siegeszug in fast allen Bereichen der Nahrungsmittelindustrie gehalten hatten, revidierte Atkins seine Aussage und meinte nun, dass Polyole (Zuckerersatzstoffe) nicht als Kohlenhydrate in die tägliche Bilanz anzurechnen wären.

Man geht in den Low Carb Foren auch teilweise davon aus, dass die Kohlenhydrate im schlechtesten Falle bei den verschiedenen Zuckeraustauschstoffen wie folgt anzurechnen sind:

Sorbit 50 – 70%
Xylit 100%
Maltit 75%
Isomalt 45 – 65%
Lactit 30 – 40%
Mannit 50 – 70%.

In Lebensmittelfachkreisen wiederum wird die Anrechenbarkeit der Kohlenhydrate in Sorbit, Malit und Mannit nur mit geschätzten 50 % angegeben.

Ausgehend von einem Maltit-Zuckerersatzstoff, der zum Beispiel bei einer der Cavalier Low Carb Schokoladen pro 100 g vom Hersteller mit 37 g angegeben wird, würden somit maximal 75 % der 37 g als verwertbare Kohlenhydrate zusätzlich zu den „normalen“ Kohlenhydraten ins Gewicht fallen, somit 27,75 g.
Im Gesamten käm man bei 100 g Low Carb Schokolade Cavalier Vollmilch im schlechtesten Fall auf insgesamt 37,85 g Kohlenhydrate.

Leider kann man sich oftmals nur auf verschiedene Veröffentlichungen (sehr bekannt und viel zitiert ist zum Beispiel dieser englisch-sprachige Artikel: www.mendosa.com/netcarbs.htm) und die Herstellerangaben zu den Produkten verlassen.

Wir haben diverse Tests in Low Carb Foren gelesen, es handelte sich hier sozusagen um Selbstversuche von Low Carb Anhängern, die zum Beispiel Low Carb Schokolade gegessen und die Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel an sich selbst mit sogenannten Keto-Sticks „gemessen“ haben. Das Ergebnis war überwiegend erfreulich, d.h. die Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel war bei den Produkten mit den Zuckeraustauschstoffen doch deutlich geringer als bei „normaler“ Schokolade.
Hieraus kann man schließen, dass sich zum Beispiel eine Low Carb Schokolade mit wenig NetCarbs wohl doch besser in eine Low Carb Ernährung einpasst, als eine richtige Schokolade.
Doch jeder Körper ist anders und reagiert (auch bei der Verwertung von Zuckerersatzstoffen) anders, insofern kann man hier leider keine pauschalen Aussagen treffen.

Nicht zuletzt gibt es auch hinsichtlich des Konsums von Zuckerersatzstoffen im Allgemeinen positive und negative Ansichten und Studien.

Wer mit Low Carb (Schlank im Schlaf, Atkins usw.) abnehmen möchte, nutzt den Vorteil dass der Insulinhaushalt des Körpers ausgeglichen ist, der Fettabbau durch übermäßige Insulinreaktionen nicht stagniert und macht sich den erhöhten Energiebedarf, den der Körper zum Verdauen eiweißhaltiger und kohlenhydratarmer Nahrung aufwenden muss zu Nutze.

Wer sich konsequent kohlenhydratarm oder gar ketogen (in der Regel unter 20 g KH / Tag) ernähren möchte, der sollte unserer Ansicht nach diese Produkte nur sehr eingeschränkt in Maßen konsumieren, um den Abnehmerfolg nicht zu gefährden.
Obwohl diese Produkte weniger Kalorien haben als die meist zuckerhaltigen „Originale“, sollte man nämlich nicht außer Acht lassen, dass das Produkt mit dem Zuckerersatzstoffe (und den geringen NetCarbs) trotzdem verhältnismäßig viel Kalorien hat, welche dem gewünschten Abnehmerfolg nicht zuträglich sein dürften.

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